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Channel: Grundstücksveräußerung - Rechtslupe
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Veräußerung eines Teilgrundstücks durch die Wohnungseigentümergemeinschaft

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Stimmen einzelne Wohnungseigentümer einer Veräußerung von Teilen des gemeinschaftlichen Grundstücks nicht zu, können sie nicht durch einen Mehrheitsbeschluss dazu verpflichtet werden; weil die Veräußerung die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft betrifft, stellt sie keine Verwaltung im Sinne von § 21 Abs. 3 WEG dar und kann auch nicht Gegenstand einer Vereinbarung sein. Ein Mitwirkungsanspruch kann nicht auf § 745 Abs. 2 BGB gestützt werden, weil diese Vorschrift durch das Wohnungseigentumsgesetz verdrängt wird; er kann sich in besonders gelagerten Ausnahmefällen aus der Treuepflicht der Wohnungseigentümer ergeben.

Soweit die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung die einzelnen Eigentümer zu der Erteilung der Zustimmung verpflichten sollten, sind sie in Ermangelung einer Beschlusskompetenz nichtig. Denn eine Veräußerung von Teilen des gemeinschaftlichen Grundstücks betrifft die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft und stellt schon aus diesem Grund entgegen der Auffassung der Revision keine Verwaltung im Sinne von § 21 Abs. 3 WEG dar. Folglich besteht auch für die schuldrechtliche Verpflichtung zu einer solchen Veräußerung keine Beschlusskompetenz.

Aus dem gleichen Grund kann der Anspruch nicht auf § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG gestützt werden. Nach dieser Bestimmung kann jeder Wohnungseigentümer eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung verlangen. Das Begehren der Wohnungseigentümer ist indes nicht auf die Mitwirkung an einer Vereinbarung gerichtet. Mit einer Vereinbarung wird das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer inhaltlich ausgestaltet. Eine vertragliche Regelung der sachenrechtlichen Zuordnung ist davon zu unterscheiden (vgl. § 5 Abs. 3, 4 WEG). Sie kann nicht Gegenstand einer Vereinbarung sein, und zwar auch dann nicht, wenn die Vereinbarung nur eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Mitwirkung an der Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft begründet. Eine Veräußerung, wie sie hier beabsichtigt ist, betrifft nicht das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander, sondern die Eigentumsverhältnisse und damit die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft. Einzelne Wohnungseigentümer können danach im Innenverhältnis eine Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen nicht im Wege einer wohnungseigentumsrechtlichen Vereinbarung erzwingen (§ 10 Abs. 2 Satz 3 WEG); dies gilt erst recht für die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit einem Dritten, das auf eine Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen gerichtet ist.

Weil das Wohnungseigentumsgesetz danach ein abschließendes Regelungskonzept enthält, kann der Anspruch wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat auch nicht auf § 745 Abs. 2 BGB gestützt werden. Während § 747 Satz 2 WEG, wonach eine Verfügung über das gemeinschaftliche Grundstück nur gemeinschaftlich erfolgen kann, auch im Verhältnis zwischen Wohnungseigentümern gilt, wird § 745 BGB durch das Wohnungseigentumsgesetz verdrängt (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 WEG). Schon aus diesem Grund beruft sich die Revision ohne Erfolg auf die zu § 745 Abs. 1 und 2 BGB ergangene Rechtsprechung, wonach einzelne Bruchteilseigentümer unter bestimmten Voraussetzungen an einer gemäß § 747 Satz 2 BGB erforderlichen gemeinschaftlichen Verfügung über den einzelnen Gegenstand mitwirken müssen.

Nach alledem kann sich der Anspruch auf Mitwirkung allein aus der Treuepflicht der Beklagten ergeben, die im Verhältnis zu den übrigen Wohnungseigentümern besteht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann in besonders gelagerten Ausnahmefällen aufgrund des Gemeinschaftsverhältnisses nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Verpflichtung der Miteigentümer zur Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft bestehen. Dies setzt allerdings voraus, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, die die Verweigerung der Zustimmung als grob unbillig und damit als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben erscheinen lassen.

Außergewöhnliche Gründe, die einen Mitwirkungsanspruch begründen könnten, sind nicht schon dann anzunehmen, wenn eine Handlungsalternative sinnvoller als andere erscheint. Hier stehen den Wohnungseigentümern verschiedene Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Ohne den Verkauf entgeht ihnen zwar eine Einnahme von 5.000 €; dafür bleibt ihnen aber das Eigentum an der Teilfläche erhalten. Die Wohnungseigentümergemeinschaft steht zu Unrecht auf dem Standpunkt, dass die Teilfläche für ihre Mitglieder aufgrund der Errichtung der Mauer nutzlos geworden ist. Scheitert die Veräußerung, haben die Wohnungseigentümer nämlich auf Dauer die Möglichkeit, im Verhältnis zu dem Nachbarn von ihren Rechten als Eigentümer Gebrauch zu machen. So können sie bei einer späteren Entfernung der Mauer auf der Einhaltung der Grundstücksgrenzen bestehen; auch können sie unabhängig von nachbarrechtlichen Vorschriften eine Erhöhung der Mauer verhindern. Zudem besteht der Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB unabhängig von der Durchsetzbarkeit eines Anspruchs gemäß § 1004 BGB und unterliegt gemäß § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB auch nicht der Verjährung; selbst wenn der Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 BGB verjährt sein sollte, dürften die Wohnungseigentümer das Teilstück der Mauer selbst beseitigen. Sprechen danach schon keine außergewöhnlichen Umstände für das Begehren der übrigen Wohnungseigentümer, kommt es nicht darauf an, ob die Befürchtungen der Beklagten hinsichtlich einer möglichen Bebauung des Nachbargrundstücks sachlich begründet sind oder nicht.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. April 2013 – V ZR 103/12


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