Wird ein mit einem Grundpfandrecht belastetes Grundstück vom Insolvenzverwalter freihändig aufgrund einer mit dem Grundpfandgläubiger getroffenen Vereinbarung veräußert, liegt neben der Lieferung des Grundstücks durch die Masse an den Erwerber auch eine steuerpflichtige entgeltliche Geschäftsbesorgungsleistung der Masse an den Grundpfandgläubiger vor, wenn der Insolvenzverwalter vom Verwertungserlös einen „Massekostenbeitrag“ zugunsten der Masse einbehalten darf. Vergleichbares gilt für die freihändige Verwaltung grundpfandrechtsbelasteter Grundstücke durch den Insolvenzverwalter. So hat der Bundesfinanzhof aktuell entschieden.
Zunächst stellte der Bundesfinanzhof fest, dass auch bei der freihändigen Verwertung von Sicherungsgut durch den Insolvenzverwalter eine steuerbare Leistung vorliegt.
Veräußert der Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren aufgrund einer mit dem Grundpfandgläubiger getroffenen Vereinbarung ein Grundstück freihändig und behält er vereinbarungsgemäß vom Veräußerungserlös für die Masse einen „Massekostenbeitrag“ ein, liegt neben der Grundstückslieferung an den Erwerber eine nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbare und auch steuerpflichtige Leistung vor.
Nach ständiger Rechtsprechung erbringt der Unternehmer (Steuerpflichtige) eine Leistung gegen Entgelt, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar ist und die gemäß Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage 77/388/EWG dem Anwendungsbereich der Steuer unterliegt, wenn zwischen Unternehmer und Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, so dass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist.
Im Streitfall liegen nach Auffassung des Bundesfinanzhofes steuerbare Leistungen des Klägers vor, soweit er aufgrund der freihändigen Veräußerung zur Vereinnahmung von Kostenbeiträgen für die Masse berechtigt war.
Veräußert der Insolvenzverwalter aufgrund einer mit dem Grundpfandgläubiger getroffenen Vereinbarung das mit einem Grundpfandrecht belastete Massegrundstück freihändig, erbringt er eine sonstige Leistung i.S. von § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG an den Grundpfandgläubiger, da er in dessen Interesse und Auftrag die Veräußerung des Grundstücks betreibt und daher für diesen ein Geschäft besorgt. Maßgeblich ist insoweit, dass der Insolvenzverwalter zur freihändigen Veräußerung des grundpfandrechtsbelasteten Grundstücks nicht verpflichtet ist, da er sich gemäß § 165 InsO darauf beschränken kann, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden. Duldet der Insolvenzverwalter nicht lediglich die Zwangsvollstreckung, sondern veräußert er das Grundstück freihändig, erhält der Grundpfandgläubiger hierdurch die Möglichkeit, eine weiter gehende Tilgung seiner Forderung als bei einer Zwangsversteigerung zu erlangen, und damit einen Vorteil, den der Grundpfandgläubiger ohne die Leistung des Insolvenzverwalters nicht erhalten kann, da er aufgrund seines Pfandrechts nicht selbst zur Veräußerung des mit dem Grundpfandrecht belasteten Grundstücks berechtigt ist.
Gegen eine an den Grundpfandgläubiger erbrachte Leistung spricht nicht, dass der Insolvenzverwalter bei der Erbringung der entgeltlichen Geschäftsbesorgungsleistung zwar in dessen Interesse, aber auf Rechnung des Insolvenzschuldners (Grundstückseigentümers), nicht dagegen auf Rechnung des Grundpfandgläubigers handelt.
Zu Recht macht der Kläger geltend, dass ebenso wie die Zwangsversteigerung auch die freihändige Veräußerung des grundpfandrechtsbelasteten Grundstücks nicht für Rechnung des Grundpfandgläubigers, sondern für Rechnung des Schuldners (Grundstückseigentümers) erfolgt, denn in beiden Fällen werden die Verbindlichkeiten des Grundstückseigentümers durch den Verwertungserlös getilgt. Auch wenn der Grundpfandgläubiger an einem möglichst hohen Veräußerungserlös interessiert ist, rechtfertigt dies nicht die Annahme, die Veräußerung erfolge für seine Rechnung. Damit übereinstimmend vermittelt nach der Rechtsprechung die Verwertung durch Zwangsversteigerung aufgrund eines Grundpfandrechts für den Grundpfandgläubiger mangels Handelns für dessen Rechnung keine Verwertungsbefugnis i.S. von § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes.
Dementsprechend liegt sowohl bei einer Zwangsversteigerung als auch bei der freihändigen Veräußerung des Grundstücks durch den Insolvenzverwalter umsatzsteuerrechtlich nur eine Lieferung des Eigentümers, dieser vertreten kraft Amtes durch den Insolvenzverwalter, an den Erwerber, nicht aber ein Doppelumsatz durch eine Lieferung an den Grundpfandgläubiger und durch diesen an den Erwerber vor. Handelt hiernach der Insolvenzverwalter nicht für Rechnung des Grundpfandgläubigers, liegen die Voraussetzungen eines Kommissionsgeschäftes (§ 3 Abs. 3 UStG) nicht vor und führt daher die freihändige Veräußerung im Namen des Grundstückseigentümers auch nicht nach den Regeln über Kommissionsgeschäfte zu einem sog. Dreifachumsatz.
Auch wenn der Insolvenzverwalter mit der freihändigen Veräußerung und der hierdurch bewirkten Schuldtilgung für Rechnung des Insolvenzschuldners tätig ist, schließt dies die Annahme einer sonstigen Leistung an den Grundpfandgläubiger nicht aus. Denn anstelle der Zwangsvollstreckung zur Befriedigung des Grundpfandgläubigers aus dem Grundstück, auf die der Grundpfandgläubiger auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens verwiesen ist (§§ 1147, 1192 BGB), können Grundpfandgläubiger und Grundstückseigentümer, vertreten durch den Insolvenzverwalter, im Rahmen eines entgeltlichen Geschäftsbesorgungsauftrags gemäß § 675 BGB vereinbaren, dass der Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Grundpfandberechtigten das überschuldete Grundstück im Namen des Grundstückseigentümers veräußert und den Veräußerungserlös abzüglich eines vereinbarten Entgelts zur Tilgung der gesicherten Forderung herauszugeben hat. Der Beurteilung als Geschäftsführung „für einen Anderen“ (vgl. §§ 675 ff. BGB) steht entgegen der Auffassung des Klägers nicht entgegen, dass der Geschäftsführer zugleich auch ein objektiv eigenes Geschäft besorgt. Selbst bei einer Geschäftsbesorgung ohne Auftrag genügt es daher, dass das Geschäft seiner äußeren Erscheinung nach nicht nur dem Besorger, sondern auch einem Dritten zugute kommt, insbesondere wenn dessen Interesse an der Vornahme der Handlung im Vordergrund steht oder gar vordringlich ist. Dass der Insolvenzverwalter bei der Ausführung dieser Geschäftsbesorgungsleistung zugleich dafür sorgt, dass die Verbindlichkeit des Insolvenzschuldners getilgt wird, ist daher unerheblich.
Da der Geschäftsbesorgungsvertrag ein gegenseitiger Vertrag ist, erfolgt die Leistung im Rahmen eines Leistungsaustausches, soweit der Insolvenzverwalter vereinbarungsgemäß zur Vereinnahmung eines Massekostenbeitrages berechtigt ist. Keine entgeltliche Leistung liegt daher vor, wenn z.B. vereinbarungsgemäß bei der freihändigen Veräußerung die Berechtigung zum Einbehalt eines Massekostenbeitrages entfällt, weil der erzielte Erlös die Forderung des Grundpfandgläubigers übersteigt.
Liegt somit eine entgeltliche sonstige Leistung vor, ist diese auch steuerpflichtig. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG ist auf sonstige Leistungen nicht anzuwenden, soweit diese keine bloßen Nebenleistungen zu einer Grundstückslieferung sind.
Die Einwendungen des Klägers greifen nicht durch. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die Beurteilung als steuerpflichtige Geschäftsbesorgung bei der freihändigen Veräußerung grundpfandrechtsbelasteter Grundstücke führe zu einer Ungleichbehandlung gegenüber der Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände.
Zwar hat der Bundesfinanzhof in einem Urteil entschieden, dass der Insolvenzverwalter bei der Veräußerung von beweglichen Gegenständen, an denen ein Absonderungsrecht besteht, trotz Vereinnahmung der Verwertungskostenpauschalen des § 171 Abs. 2 InsO keine entgeltliche Leistung an den Grundpfandgläubiger erbringe. Der Bundesfinanzhof hält hieran jedoch aus den folgenden Gründen nicht fest (Änderung der Rechtsprechung):
- Bei der Verwertung beweglicher Gegenstände, an denen ein Absonderungsrecht gemäß § 51 Nr. 1 InsO besteht –wie z.B. bei Sicherungseigentum–, darf der Insolvenzverwalter gemäß § 166 Abs. 1 InsO zwar freihändig verwerten, wenn er die Sache in seinem Besitz hat.
- Der Insolvenzverwalter ist jedoch nicht zur freihändigen Verwertung verpflichtet, da er gemäß § 170 Abs. 2 InsO Gegenstände, die er nach § 166 InsO trotz des Absonderungsrechts verwerten darf, weil er sie in Besitz hat, auch dem Gläubiger und damit dem Sicherungsnehmer zur Verwertung überlassen kann. Verwertet der Insolvenzverwalter die vom Insolvenzschuldner zur Sicherheit dem Gläubiger (Sicherungsnehmer) übertragenen Gegenstände im Namen des Sicherungsnehmers, liegt ein sog. Doppelumsatz aufgrund einer Lieferung durch die Insolvenzmasse an den Gläubiger und durch den Gläubiger an den Erwerber vor. Das Entgelt für die Lieferung der Masse an den Gläubiger entspricht dann dem Betrag in Höhe der Schuldbefreiung, die sich für die Masse aufgrund der Verwertung durch den Gläubiger ergibt. Vorweg zu begleichende Kosten der Feststellung (§ 170 Abs. 2 InsO) gehören nicht zum Entgelt.
- Verwertet der Insolvenzverwalter die einem Absonderungsrecht unterliegende bewegliche Sache für die Masse selbst, erbringt er ebenso wie bei der „freihändigen Veräußerung“ grundpfandrechtsbelasteter Grundstücke im Interesse des Gläubigers eine entgeltliche Leistung an diesen. Dem entspricht, dass dem Gläubiger nach §§ 167 ff. InsO Informations- und Mitspracherechte in Bezug auf die Art der Veräußerung eingeräumt sind. Entgelt für die im Interesse der absonderungsberechtigten Gläubiger durchgeführte Veräußerung ist die vom Erlös vorweg für die Kosten der Verwertung der Insolvenzmasse verbleibende Verwertungskostenpauschale (§ 171 Abs. 2 InsO i.V.m. § 170 Abs. 1 InsO). Diese beträgt grundsätzlich pauschal 5 % sowie gegebenenfalls zusätzlich den aufgrund der Verwertung anfallenden Umsatzsteuerbetrag. Liegen die tatsächlich entstandenen, für die Verwertung erforderlichen Kosten erheblich niedriger oder erheblich höher, ist nicht die Pauschale, sondern sind nach § 171 Abs. 2 Satz 2 InsO diese Kosten anzusetzen. Verwertungskostenpauschale oder die hilfsweise anzusetzenden Kosten sind ein gesetzlicher Aufwendungsersatzanspruch). Ob die entgeltliche Geschäftsbesorgungsleistung bei der Verwertung durch den Insolvenzverwalter –wie bei einer Verwertung durch den Eigentümer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens– unter Berücksichtigung der Kommissionsgrundsätze durch die fiktive Lieferung absorbiert wird und ein sog. Dreifachumsatz vorliegt, ist im Streitfall nicht zu entscheiden.
- Entgegen der unter Hinweis auf entsprechende Äußerungen im Schrifttum vertretenen Auffassung des Klägers ist es für die Steuerbarkeit der für die Masse erbrachten Geschäftsbesorgungsleistung ohne Bedeutung, ob und inwieweit diese einen erhöhten Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters nach der Insolvenzverwaltervergütungsordnung begründet. Denn ob die Masse (vertreten durch den Insolvenzverwalter) im Außenverhältnis steuerbare Leistungen an Dritte wie z.B. Gläubiger erbringt, richtet sich nicht danach, ob sich hieraus im Innenverhältnis zwischen Masse und Insolvenzverwalter Vergütungsansprüche ergeben. Die jeweiligen Rechts- und Leistungsverhältnisse, und damit das Verhältnis zwischen der durch den Insolvenzverwalter vertretenen Masse und dem Grundpfandgläubiger einerseits und der Masse und dem Insolvenzverwalter andererseits, sind vielmehr eigenständig zu würdigen.
- Ob daneben ein Verzicht des Grundpfandgläubigers auf die Geltendmachung einer Sicherheit und damit eine Leistung an die Insolvenzmasse vorliegt, ist entgegen der Auffassung des Klägers für die Beurteilung der Frage, ob der Kläger als Insolvenzverwalter eine Leistung an den Grundpfandgläubiger erbringt, nicht entscheidungserheblich. Denn ein derartiger Verzicht könnte nur zu einer Leistung des Gläubigers an die Insolvenzmasse führen, während es im Streitfall um die Besteuerung einer Leistung der Insolvenzmasse an den Gläubiger geht.
Das Urteil des Finanzgericht entspricht nicht diesen Grundsätzen; es war daher aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das Finanzgericht hat im Grundsatz zutreffend entschieden, dass der für die freihändige Verwertung durch den Kläger als Insolvenzverwalter mit den Grundpfandgläubigern vereinbarte Massekostenbeitrag Entgelt für dessen Tätigkeit bei der Verwertung des grundpfandrechtsbelasteten Grundstücks im Interesse der Grundpfandgläubiger ist.
Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass es an einem Entgelt fehlt, wenn vereinbarungsgemäß bei einem die besicherte Forderung übersteigenden Erlös kein Massebeitrag einbehalten werden darf, und hat daher keine Feststellungen getroffen, ob im Streitfall –wie der Kläger vorträgt– solche Sachverhalte vorliegen könnten. Dies ist im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
Hinsichtlich des zwischen dem Kläger und den Grundpfandgläubigern vereinbarten Massekostenbeitrages für die Verwaltung der grundpfandrechtsbelasteten Grundstücke gelten die ausgeführten Grundsätze entsprechend:
- Nach den Feststellungen des Finanzgerichts hatte der Kläger mit dem jeweiligen Grundpfandgläubiger vereinbart, dass dieser auf die Durchführung von Zwangsverwaltungsverfahren verzichtet und stattdessen der Kläger die mit den Grundpfandrechten belasteten Grundstücke verwaltet und die Mieten anstelle eines gerichtlich eingesetzten Zwangsverwalters im Auftrag der Gläubigerbanken einzieht. Zu Recht stellt das FG insoweit darauf ab, dass der Insolvenzverwalter eine „freihändige“ Tätigkeit gegen Entgelt ausübte, zu der er nicht verpflichtet war, da er sich nach § 165 InsO darauf beschränken konnte, die Zwangsverwaltung zu dulden und er für die Masse vereinbarungsgemäß einen Anteil von 9 bis 15 % aus den realisierten Kaltmieten als „Inkassogebühren“ als Leistungsentgelt erhielt. Dieser Massekostenbeitrag steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Mehraufwand des Klägers für die von ihm –anstelle eines gerichtlich bestellten Zwangsverwalters– wahrgenommene Grundstücksverwaltung.
- Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch insoweit ohne Bedeutung, ob die Gläubiger der KG auf die Einleitung von Zwangsmaßnahmen verzichtet haben. Denn ein derartiger Verzicht könnte nur zu einer Leistung des Gläubigers an die Insolvenzmasse führen, während es im Streitfall um die Besteuerung einer Leistung der Insolvenzmasse an den Gläubiger geht.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 28. Juli 2011 – V R 28/09